Mit der Verschmelzung des Kerns der menschlichen Samen- mit dem Kern der menschlichen Eizelle entsteht ein neuer Mensch. Mit der Bildung des neuen und einmaligen Genoms verfügt der neue Mensch über alle Anlagen, die sich nun kontinuierlich zu entfalten und zu entwickeln beginnen. Was nun einsetzt, ist ein Prozess, der so lange läuft, bis er durch den Tod gestoppt wird.

Wissenschaftler pflegen die Entwicklung des Menschen in verschiedene Stadien zu unterteilen, um einzelne Phasen der Entwicklung einfacher und anschaulicher beschreiben zu können. Das ist methodisch zweckmäßig, ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich der Mensch in Wirklichkeit nicht „zum“ Menschen, sondern „als“ Mensch entwickelt.

Nicht die Person ändert sich, sondern nur ihr Erscheinungsbild. Das Erscheinungsbild des Menschen ist anders als befruchtete Eizelle, als Embryo, Fötus, Säugling, Kleinkind, Jugendlicher, alter Mensch. Aber es ist immer dieselbe Person.

Bereits die Entwicklung des Menschen von der befruchteten Eizelle bis zur Einnistung erfordert eine koordinierte Zellteilung, Zellspezialisierung und Zellwanderung. 10 Tage nach seiner Entstehung hat der Embryo den Weg durch den Eileiter zurückgelegt und sich in der mütterlichen Gebärmutterschleimhaut eingenistet.

In der 3. Woche nach der Befruchtung besitzt das ungeborene Kind ein s-förmiges Herz, dessen Schlagen nachgewiesen werden kann. In der 7. Woche nach der Befruchtung ist die Entwicklung des Herzens abgeschlossen, das Herz des Kindes schlägt jetzt doppelt so schnell wie das seiner Mutter und treibt mit seinem eigenen „Motor“ die Blutzirkulation selbst voran.

Jetzt erfährt die Mutter durch Ausbleiben der Regel, dass sie schwanger ist. Parallel zur Entwicklung des Herzens erfolgt die Ausbildung des Zentralnervensystems. Die ersten sichtbaren Hinweise auf das Arbeiten des Zentralnervensystems können durch den Nachweis von Körperbewegungen auf die 6. Woche nach der Befruchtung datiert werden.

Auch die Bildung der Muskulatur ist jetzt weit fortgeschritten. Jede Minute bilden sich etwa 100.000 neue Nervenzellen. In der 8. Woche nach der Befruchtung erhält das Kind seinen unverwechselbaren Fingerabdruck. Der Embryo bewegt bereits Arme und Beine. Auch alle Organe sind bereits vorhanden. Das Kind hat sein eigenes Immunsystem.

Nach der Hand- und Fußsohle wird nachfolgend sein ganzer Körper schmerzempfindlich. Von seiner Umwelt benötigt der ungeborene Mensch, wie jedes geborene Kind auch, nur noch Zeit und Nahrung, um weiter wachsen und reifen zu können. Zwischen der 9. und der 10. Woche beginnt das Kind – Mediziner sprechen jetzt vom Fötus – den Kopf zu drehen. Es fängt an zu greifen und am Daumen zu lutschen und kann sogar kleine Purzelbäume schlagen.

In der 10. Woche ist der ungeborene Mensch bereits 6 cm lang und damit 60.000 mal so groß wie die befruchtete Eizelle zu Beginn.

In der 12. Woche (hier endet die Frist für die in Deutschland geltende Abtreibungsregelung) sind sämtliche inneren Organe voll funktionsfähig. Das Kind atmet, schluckt, verdaut und uriniert. Es reagiert auf Lärm und schläft. Auf dem Kopf wachsen die ersten Haare.

 


 

Ausgewählte Literatur

Veronika Blasel: Was die Embryologie über den Menschen weiß. In: Lebensforum Nr. 66 2003. S. 4-7.

Ulrich Drews: Taschenatlas der Embryologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1994.

Keith L. Moore: Lehrbuch und Atlas der Entwicklungsgeschichte des Menschen. 3. Aufl., Schattauer Verlag, Stuttgart/New York 1990.

Ronan O’Raihilly, Fabiola Müller: Human Embryology and Teratoloy. 3. Aufl., Wiley-Liss, New York 2001.

Norbert Ulfig: Kurzlehrbuch Embryologie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2005.

Josef Wisser: Daten der embryonalen Frühentwicklung des Menschen. In: Rainer Beckmann, Mechthild Löhr (Hrsg.): Der Status des Embryos. Medizin – Ethik – Recht. Würzburg 2003. S. 26-33.